Als Person of Colour in Deutschland aufwachsen: meine Erfahrungen

Ich bin eine junge Frau mit Migrationshintergrund oder auch „Person of Colour“, wie man es mittlerweile politisch korrekt bezeichnet. In Aachen geboren, hier aufgewachsen, und vielleicht werde ich irgendwann hierher zurück kehren. Weil es mein Zuhause ist. Ich fühle mich als Deutsche bzw. Europäerin. Ich war mir aus diesem Grund lange gar nicht so sehr…

Ich bin eine junge Frau mit Migrationshintergrund oder auch „Person of Colour“, wie man es mittlerweile politisch korrekt bezeichnet. In Aachen geboren, hier aufgewachsen, und vielleicht werde ich irgendwann hierher zurück kehren. Weil es mein Zuhause ist. Ich fühle mich als Deutsche bzw. Europäerin. Ich war mir aus diesem Grund lange gar nicht so sehr darüber bewusst, dass ich anders bin als andere. Und habe es ganz weit von mir geschoben und verdrängt. Weil ich in einem sehr tolerantem, aber größtenteils „weißen“ Umfeld aufgewachsen bin. Wo es normal war, dass ich mit dabei bin, dass ich alles mitmachen kann.

Na klar, wenn ich in den Spiegel geschaut habe, dann habe ich den Unterschied gesehen. Meine Hautfarbe, meine Haare. Ich mochte mich lange selbst nicht besonders. Weil ich das Gefühl hatte, Stroh auf dem Kopf zu haben (bis ich wusste, wie ich meine Locken richtig pflege), meine Bein- und Gesichtsbehaarung zu dunkel, zu sichtbar. Ein Mitschüler in der Grundschule, wohlgemerkt selbst mit Migrationshintergrund, fragte mich mal, wieso meine Haut „die Farbe von Kacke“ hätte. Ich lachte, aber mir war innerlich nach Weinen zumute. Ich weiß, dass das nur ein dummer kindischer Kommentar ist. Aber auch so etwas kann weh tun. Oft wurde ich gefragt, wo ich denn wirklich her komme, wenn ich ganz selbstverständlich Aachen sagte. Meine Afrohaare stießen zwar oft auf Bewunderung, aber ich habe mich eher wie ein Tier im Zoo gefühlt, wenn fremde Menschen mal wieder – ohne vorher um Erlaubnis zu fragen – da rein gefasst haben.

Ich fiel eben doch auf. Aber das wollte ich nicht, ich wollte voll und ganz Teil meiner schönen, vorwiegend weißen, privilegierten Blase sein. Ich habe Chancen genossen, die nicht allen Menschen mit Migrationshintergrund offen stehen. Ich habe eine gute Bildung erfahren, viele Hobbies ausprobiert, einiges an Kultur und Politik mitbekommen… Und dafür bin ich unglaublich dankbar. Aber zugleich habe ich mich mit dem ausländischen Anteil von mir nicht beschäftigt, weil ich tief in mir drin wohl doch gespürt habe: schwarz oder anders sein ist nicht so angesehen. Und das, auch ohne jemals so richtig offen aufgrund meiner Hautfarbe angefeindet worden zu sein. Manchmal reichen abschätzige Blicke, um sich unwohl und ausgegrenzt zu fühlen. Die Nachrichten über immer mehr rassistische Übergriffe und die wachsende Zustimmung zu fremdenfeindlichen Aussagen ließen ein ungutes Gefühl in mir wachsen, ich fühlte mich noch weniger wohl in meinem eigenen Körper. Ich hatte irgendwie das permanente Gefühl, mich vorbildlich benehmen zu müssen, um keine Angriffsfläche zu bieten.

Ich war auch immer eine Einserschülerin, habe mich aber oft gefragt, wieso ich mich zu Höchstleistungen zwinge, selbst wenn es mal nicht so darauf ankam. Ein Anteil von mir hat mir wohl immer gesagt, du musst mehr leisten. Um zu beweisen, dass du dazu gehörst und genauso viel wert bist. Vielleicht lenkt ja ein extrem gutes Zeugnis und ein spannender Lebenslauf von meinem merkwürdigen Nachnamen ab. Ihr merkt: auch ich, als Person of Colour, bin nicht frei von rassistischen Denkmustern. Immer, wenn ich diese bei mir selbst feststelle, dann schockiert mich das. Und gleichzeitig ist das nur eine logische Konsequenz. Daraus, dass ich eben in einem solchen System aufgewachsen bin.

Heute weiß ich: Mein Name, meine Familiengeschichte und meine afrikanischen Wurzeln, die ich selbst noch viel besser kennen lernen möchte, gehören genauso zu mir wie alles andere. Ich will in einer wirklich multikulturellen Gesellschaft leben. Mit völliger Gleichberechtigung und Austausch. Ich will einfach ich sein. Und bis wir alle uns so frei fühlen, und einander als gleichwertige Menschen sehen, muss sich noch einiges ändern. Wir müssen etwas verändern. Unserer eigenen Denkmuster und das System.

Was denkst du über das Thema? Hast du auch einen Migrationshintergrund und ähnliche oder auch ganz andere Erfahrungen gemacht? Schreib mir einen Kommentar oder eine private Nachricht hier oder auf Instagram. Bleibt gesund und passt auf euch auf!

Bis bald, eure Leo ❤

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Antworten auf „Als Person of Colour in Deutschland aufwachsen: meine Erfahrungen”.

  1. Sara

    Sehr berührend und vorallem ehrlich! Du kannst so gut mit Worten umgehen, wow!
    Hab dich lieb ❤️

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    1. leoslovelymess

      Tausend Dank. Und ich dich erst !<3

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  2. lilablumenwiese

    Oh das ist wirklich ein toller Beitrag! Als weiße ist für mich manchmal schwierig, mir vorzustellen, dass Menschen tatsächlich bewusst (oder auch unbewusst) rassistische Kommentare äußern, weil man selbst es ja nicht erleben kann. Daher finde ich es immer gut, wenn darüber gesprochen wird.

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    1. leoslovelymess

      Danke du Liebe! Ja das glaube ich dir… ich finde es toll zu sehen, wie viele sich im Moment darüber informieren und austauschen.

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